Vielfältige internationale Teams sind in vielen Branchen und Firmen eine Realität, und es gilt bei den Firmen oft als Qualitätsmerkmal, denn man will nahe bei den Kunden sein, seine Sprache sprechen und daneben auch noch die besten Fachexperten an Bord haben. Das trifft auch alles zu – sofern die Teams gut organisiert und geführt sind. Ansonsten ist das Potential für Frust, Missverständnisse, Zusatzschlaufen und verpasste Projektziele gross. In diesem Artikel erzähle ich Anekdoten aus meiner Erfahrung und zeige, was Stolpersteine in internationalen Teams sind und wie sie ihre Ziele besser erreichen können.
Inhaltsverzeichnis
Eine gemeinsame Sprache im Team entwickeln
Die Schwierigkeiten bei der Arbeit in internationalen Teams sind sehr ähnlich wie bei vielfältigen Teams (Blogbeitrag), internationale Teams sind ja häufig auch gleichzeitig interdisziplinär, das heisst die Mitglieder aus verschiedenen Ländern vertreten auch gleichzeitig andere Fachdisziplinen und kommen aus unterschiedlichen Bereichen. Wenn in einem Bauprojekt eine Projektleiterin, ein Konstrukteur und ein Einkäufer aus der gleichen Kultur zusammenarbeiten, dann ist die gemeinsame Verständigung sicher schon etwas einfacher.
Bereits bei vielfältigen Teams habe ich betont, wie wichtig eine gemeinsame Sprache ist. Und damit meine ich in diesem Kontext wiederum explizit nicht Englisch oder eine andere Sprache zur Verständigung, sondern das gemeinsame Verständnis für die Arbeit, den Inhalt, die Abläufe und die Prozesse. Hier gilt es sich bewusst zu machen, wie unterschiedliche Sprachen aber auch die ganze Kultur die Werte und Denkweise beeinflussen. Forscher haben herausgefunden, dass dieser gemeinsame Mindset in den aktuellen Umständen vielfältiger, internationaler, digitaler und dynamischer Teams immer wichtiger wird (Artikel Harvard Business Review).
Aus diesem Grund ist es wichtig, sich auf einem gemeinsamen Spielfeld zu treffen. Ein gemeinsames Modell oder Framework ist hier eine gute Basis. Es ist überhaupt kein Problem, wenn ein Grossteil der Teammitglieder das Modell nicht kennen, dann kann man gemeinsam ein Verständnis entwickeln und seine Theorien in dieses Framework einpassen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass selbst Personen aus dem gleichen Fachbereich in den unterschiedlichen Ländern mit verschiedenen Theorien und Modellen arbeiten und sich deshalb nur schwer verständigen können. Auch in diesem Fall muss man eine neue Basis finden. Man soll so viel als möglich grafisch darstellen, um die sprachliche Barriere etwas abzubauen.
Auch hier ist wichtig, dass wirklich alle Personen den Inhalt und die Form der Zusammenarbeit verstehen. Ansonsten kann das gleiche Vorgehen wie für andere Teams genutzt werden (Blogbeitrag Zusammenarbeit).
Ich war vor einigen Jahren Teilnehmer an einem Design Thinking Kurs in China mit europäischen und chinesischen Teilnehmenden. Die Europäer waren praktisch alle schon einigermassen vertraut mit der Methode und haben nach einer kurzen Einführung sofort mit der Aufgabe losgelegt. Die chinesischen Teilnehmer und Teilnehmerinnen haben wohl noch kaum etwas von Design Thinking gehört oder die Philosophie mindestens anders angewendet. Besonders mit den vorgeschlagenen Kreativitätstechniken waren sie überhaupt nicht vertraut und sie kamen sich von Beginn weg fehl am Platz vor. Am Ende war dann auch ihr Beitrag äusserst bescheiden. Wären diese Personen für das Endresultat entscheidend gewesen (was in einem Projekt in China normalerweise zu erwarten ist), wäre das Projekt massiv gescheitert. Im Rückblick war die Einführung der Methode viel zu kurz und man war zufrieden, dass die Mehrheit der Teilnehmenden die Methode und die Aufgabe verstanden hat. Man war zuversichtlich, den Rest dann schon mitnehmen zu können.
In internationalen Teams kommen die physische Distanz und die Zeitverschiebung erschwerend hinzu. Häufig wird asynchron gearbeitet, es gibt nur wenige Möglichkeiten für einen Austausch. Man kann sich seltener physisch treffen und es werden entsprechend Kommunikationsmittel genutzt, welche weniger Informationen transportieren. Dies ist heute auch Fakt bei distributed teams, zum Beispiel im Home Office. Sich zu treffen ist immer noch die effizienteste Form der Kommunikation, weil am meisten Information transportiert wird. Ich habe immer versucht, die anderen Personen mindestens zu Beginn der Zusammenarbeit zu treffen. Danach war die Kommunikation jeweils einiges einfacher.
Unterschiede zwischen den Kulturen
Ich habe gesamthaft 5 internationale Entwicklungsprojekte geleitet (Europa und Indien) und war in unzähligen Kundenprojekten dabei (Europa, Asien, Südamerika). Die folgenden Einsichten widerspiegeln meine subjektiven Einsichten und Erfahrungen aus diesen Projekten.
In anderen Kulturen unterscheiden sich primär folgende Punkte (es sind sicherlich noch mehr):
- Umgang mit Fehlern, Fehlerkultur
- Kommunikation, insbesondere von Problemen und Hindernissen
- Wert und Verbindlichkeit einer Abmachung, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit
- Hierarchie, Abläufe, Möglichkeit, durch persönlichen Einsatz einen Unterschied zu machen
- Freiheit, Flexibilität und Mut, Neues auszuprobieren und Risiken einzugehen
- Einstellung zu Kreativität
- psychologische Sicherheit, besonders für tiefere Hierarchiestufen
- teils auch die Arbeitsbedingungen und Ressourcen
Diese Punkte sind stark von der Kultur geprägt. Man kann nicht davon ausgehen, dass eine Person, welche sehr gut Englisch spricht, deswegen auch in diesen anderen Punkten näher bei der westlichen oder europäischen Kultur ist. Ich war immer wieder überrascht, wie schon Pünktlichkeit zu einem online Meeting in den Nachbarländern anders interpretiert wurde.
Wertschätzung, Respekt und Verständnis als Türöffner
Ich glaube der wichtigste Punkt ist das Bewusstsein für die Unterschiede und eine ausgeprägte Empathie. Ich habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht, allen Personen wertschätzend und respektvoll zu begegnen und dann zu beobachten. Die Leute schätzen, dass man sich Mühe gibt. Da werden viele Fehler akzeptiert, vielleicht mit einem Lächeln über die Unwissenheit. So ist es dann auch ok, wenn man in Indien einem ‚Unberührbaren‘ die Hand schüttelt (das war natürlich noch vor Corona).
Man kann sich natürlich bemühen, die andere Kultur zu verstehen. Aber das braucht Zeit und manchmal funktioniert es überhaupt nicht. Ich habe zum Beispiel das Kastensystem in Indien nie verstanden. Und natürlich sehe ich den Personen auch nicht an, wo sie eingeordnet werden. Aber mit wertschätzendem und respektvollem Auftreten öffnen sich viele Türen.
Man kann auch sehr viel Verständnis entwickeln, indem man sich gegenseitig besucht und gemeinsam arbeitet. So habe ich in Indien hautnah miterlebt, dass die Arbeit ungleich mühsamer ist, wenn man in einem lauten Raum mit der gesamten Abteilung sitzt, seine Vorgesetzte um Erlaubnis für eine Fotokopie fragen muss und das Internet mehrmals täglich unterbrochen wird und man für längere Zeit auf private Hotspots ausweichen muss. Und umgekehrt waren die Kollegen bei Besuchen überrascht, dass wir auch sehr lange und volle Arbeitstage haben und verstanden, dass es nicht immer mangelndes Interesse oder Wertschätzung ist, wenn wir nicht sofort auf Anfragen reagieren. Mit diesem Verständnis kann man die eigene Perspektive ändern und den Frust über den langsamen Projektfortschritt vielleicht sogar in Bewunderung ändern, unter diesen Bedingungen doch so viel erreicht zu haben.
Mit wertschätzendem und respektvollem Auftreten öffnen sich viele Türen
Irgendwann trifft man bei der Zusammenarbeit in ganz unterschiedlichen Kulturen immer auf handfeste Hindernisse, weil zum Beispiel Einstellung zu Fehlern anders ist, weil eine Abmachung (wiederholt) anders interpretiert wird oder weil eine Arbeit in der hierarchischen Rangfolge der Auftraggeber ganz nach hinten gerutscht ist und dies niemand kommuniziert. Hier hilft es auch nicht weit, wenn man zu Beginn der Zusammenarbeit möglichst viele Prozesse plant und schon Konsequenzen bei Nichteinhalten etc. definiert. Aber es hilft sicher, gewisse Zuständigkeiten und ein Vorgehen bei Meinungsverschiedenheiten festzulegen. Das verhindert dann, dass eine kleine Arbeit, welche wiederholt nicht erledigt wird, zu grossem Frust eskaliert. Ich habe leider noch kein universelles Werkzeug gefunden, all diese kulturellen Probleme gleichzeitig zu erschlagen. Es braucht wohl auch in Zukunft Verständnis und Gespür für das Gegenüber und etwas Kreativität, wie man zum Ziel kommt.
Es hilft sicher, dass sich Ausländer ab und zu auch mal ausserhalb der Hierarchie bewegen dürfen. Man kann direkt mit gewissen Personen einer anderen Hierarchiestufe sprechen und so auch einen Prozess moderieren oder auf Hindernisse und fehlende Ressourcen hinweisen.
Ich bemühe mich immer, die Personen auch neben der Arbeit etwas kennen zu lernen. Es interessiert mich sowieso, mit wem ich arbeite und es fördert das Verständnis für die Situation und die Kultur des Teammitglieds. Und persönliche Treffen transportieren viele zusätzliche Informationen.
Daneben habe ich auch oft erlebt, wie zu Beginn einer Zusammenarbeit Vorurteile gegenüber anderen Personen oder Kulturen bestanden. Diese Stereotypen sind wohl ein Versuch unseres Hirns, die Komplexität unserer Umwelt etwas zu reduzieren, indem man Personen in Boxen einteilt. Doch dieser Prozess muss aktiv verhindert werden.
- Positive Einstellung gegenüber Vielfalt gezielt fördern: Training, Kultur erleben (sich zum Beispiel persönlich besuchen und gemeinsam an einem Ort arbeiten)
- Verständnis für Vielfalt erzeugen: Persönlichkeitstests wie Clifton Strength, 16 personalities mit den jeweiligen Stärken und blinden Flecken
Wenn Sie häufig in interdisziplinären/vielfältigen Teams arbeiten, dann wird Sie dieser Artikel interessieren. Wenn Sie ein internationales Team aufbauen müssen, dann werde ich bald einen neuen Artikel zu diesem Thema veröffentlichen.
Teamkultur und Zusammenarbeit sichtbar machen
Weitere Informationen
Mastrogiacomo, S., & Osterwalder, A. (2021). High-Impact Tools for Teams. Hoboken: John Wiley & Sons. https://amzn.to/3GJMoBW
Ein toller Beitrag über die geheimnisse von erfolgreichem Teamwork in Harvard Business Review:
HBR – The Secret of Great Teamwork
Blogbeitrag Zusammenarbeit in der Gruppe
Über den Autor
Claudio Lehmann ist Gründer und Berater bei evores. Als Ingenieur und Unternehmensberater setzt er sich voll dafür ein, das vorhandene Potential in den Firmen sichtbar zu machen und zu nutzen. Langfristige Nachhaltigkeit beginnt bei motivierten Mitarbeitenden und geht über effiziente Zusammenarbeit bis zur innovativen Strategie von Unternehmen, welche in der Gesellschaft einen Wert bringen. People. Planet. Profit.
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