Interdisziplinäre Teams: Vielfalt koordinieren und nutzen

Gemäss einer Studie der Stanford University erreichen 75% der vielfältigen Teams ihre Projektziele nicht. In diesem Artikel besrechen wir, was man dagegen tun kann.
Wir haben in einem früheren Blogbeitrag gesehen, was bei der Zusammenarbeit in der Gruppe beachtet werden soll und wie die Team Alignment Map unterstützen kann. In diesem Artikel möchte ich zeigen, dass in vielfältigen Teams ein gemeinsames Verständnis der Aufgabe und eine gemeinsame Sprache besonders wichtig sind und wie Sie die Vielfalt in den Teams koordinieren und nutzen können. Dabei stütze ich mich auf eigene Erfahrungen aus unzähligen Projekten und erkläre, worauf besonderer Wert gelegt werden sollte.

Was sind vielfältige Teams?

Vielfalt in Teams kann auf verschiedene Weisen entstehen: aufgrund von Herkunft, Wissen, Status, Ausbildung, Perspektive, Sprache, Ideen – die Vielfalt zeigt sich letztlich immer durch unterschiedliche Perspektiven oder eine andere Art zu denken und zu kommunizieren. In diesem Artikel verwende ich den Begriff vielfältige Teams als Übersetzung des Englischen diverse teams. Damit meine ich Teams in denen Menschen zusammenarbeiten, welche ganz unterschiedlich denken und kommunizieren. In Deutsch wird häufig der Begriff interdisziplinär verwendet. Dies ist jedoch nur eine Ursache von Vielfalt.

Komplexe Probleme erfordern vielfältige Teams

Vielfältige Teams sind eine Realität in vielen Geschäftsbereich. Je komplexer eine Aufgabe, desto mehr verschiedene Disziplinen sind nötig, um diese zu lösen. Ich komme aus dem technisch-naturwissenschaftlichen Bereich und habe in über 10 Innovationsprojekten mitgearbeitet oder sie geleitet. Je nach Projekt waren in diesen Teams verschiedene Naturwissenschaften oder Ingenieurdisziplinen und Techniker aus verschiedenen Fachbereichen vertreten, welche sich um den Bau und Betrieb der Versuchsanlagen und die technische Lösung gekümmert haben. Vor der Markteinführung kamen danach Produktmanager, Projektleiter, Konstrukteure, Einkauf, Marketingfachleute, Manager etc. hinzu, welche jeweils ein anderes Verständnis des gleichen Sachverhaltes hatten und ihre Anforderungen und Perspektiven einbrachten. Und die Personen unterscheiden sich nicht nur durch eine andere Ausbildung und Funktion, sondern sie haben alle auch ihre eigene Herkunft, Erfahrung, Ideen und Sprache. All diese Faktoren beeinflussen den Blick auf ein bestimmtes Thema (siehe Konstruktivismus).

Solche Teams sind vielerorts anzutreffen. Und Studien belegen, dass vielfältige Teams gut für komplexe und dynamische Aufgaben sind. Gemäss anderen Studien wird die Vielfalt des Wissens in solchen Teams oft nicht voll genutzt. Werden diese Teams also nicht gut geführt, dann macht die Vielfalt vor allem die Zusammenarbeit und die Entscheidungen schwieriger.

75% der interdisziplinären Teams funktionieren schlecht.

Behnam Tabrizi

Behnam Tabrizi der Stanford University hat 95 Teams in grossen Industrie-Unternehmen untersucht und herausgefunden, dass 75% dieser Teams schlecht funktionieren. Das heisst für ihn, die Teams erfüllen mindestens eine der drei Projektziele: Inhalt (eigene Spezifikation oder Kundenerwartung), Kosten, Zeit nicht oder das Projekt stimmt nicht mit Zielen der Firma überein.

Gemäss dieser Untersuchung scheitern die Teams oft am Silodenken in den Teams. Die Teams arbeiten nicht gut zusammen, optimieren die Anforderungen ihrer eigenen Funktion und verstehen sich nicht richtig.

Wie nutzt man die Vielfalt in Teams?

Wie kann man nun diese Vielfalt in Teams besser nutzen und die Projektziele zuverlässiger erreichen?

Wir haben in einem separaten Blogbeitrag bereits über die Erfolgsfaktoren von Teamarbeit gesprochen. Es ist wichtig, dass alle Personen ein gemeinsames Verständnis für die Arbeit gemeinsam entwickeln und aufrecht zu erhalten. Daneben ist es auch wichtig, eine unterstützende Umgebung für die Gruppenprozesse zu schaffen, damit Entscheidungen getroffen, Konflikte gelöst und Fehler und Hindernisse besprochen werden können.

Gemeinsames Verständnis für das Projekt schaffen

Ein gemeinsames Verständnis für das Projekt, mögliche Lösungen und die Beiträge der einzelnen Teammitglieder ist in komplexeren Projekten mit verschiedenen Beteiligten noch wichtiger, aber auch aufwändiger. Man muss also mehr Zeit investieren, besonders in der Anfangsphase. Es kann auch als Vorteil angesehen werden, dass Personen mit unterschiedlichem Hintergrund Ziele und Vorgehensweise in einem Projekt häufig unterschiedlich interpretieren (Artikel in Harvard Business Review). So wird in einigen Kulturen die Qualität des Resultats sehr hoch gewertet, während in anderen Kulturen die Kosten viel wichtiger sind. Und diese unterschiedliche Interpretation muss vor dem Projektstart besprochen und angeglichen werden.

Ich habe immer sehr gute Erfahrungen damit gemacht, die Aufgabe oder das Problem und die Lösung visuell darzustellen, um das Verständnis zu verbessern. Es gibt unendlich viele Modelle und Werkzeuge, welche diesen Zweck unterstützen und eine Situation grafisch darstellen lassen. Man kann auch gut etwas Eigenes entwickeln. Es ist wichtig, dass alle Personen das Modell oder die Darstellung verstehen. Insbesondere wenn gewisse Personen schon vertraut sind mit einem Werkzeug, geht man oft zu schnell vorwärts. Aber es lohnt sich, diese Zeit als Teambildung zu investieren: Den gemeinsamen Auftrag, die Situation und das gemeinsame Ziel zu verstehen. Entsprechend ist dies auch der erste Schritt bei Methoden wie Systems Engineering oder Design Thinking (Blogbeitrag). Mit einer visuellen Darstellung hat man eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames Verständnis für den weiteren Verlauf des Projektes. Denn Englisch reicht bei vielfältigen Teams noch nicht als gemeinsame Sprache.

Für die Strukturierung der eigentlichen Arbeit, die Planung und eine gute Koordination kann wieder die Team Alignment Map von Strategyzer genutzt werden (Blogbeitrag). Es ist in jedem Projekt sehr wichtig zu verstehen: Was machen die anderen Personen, wie passt mein Beitrag in dieses Projekt, wie sind die Schnittstellen?

Gemäss Tabrizi haben die erfolgreichen cross-funktionalen Projekte folgende Charakteristika aufgewiesen:

• Eine Projektleitung, welche von A bis Z verantwortlich ist über alle Funktionen hinweg. Auch wenn verschiedene Personen der gleichen Hierarchie zusammenarbeiten gibt es doch eine Person, welche für das Endergebnis verantwortlich ist.
• Rollen und Stellvertreter klar definiert. Die Stellvertreter sind wichtig, wenn Personen abwesend sind.
• Ziele des Projekts, Ressourcen und Ende klar definiert
• Projekterfolg als Hauptziel aller Beteiligten: verschiedene Funktionen haben in einem Unternehmen oft andere Prioritäten und versuchen, diese zu optimieren. Dies führt zu Konflikten. Dies kann teilweise verhindert werden, wenn der Erfolg des Projektes ebenfalls ein offizielles Ziel der Beteiligten ist.
• Projekte laufend evaluieren und anpassen oder stoppen, wenn sie nicht mehr zur Strategie des Unternehmens passen.

Viele dieser Elemente kann man ebenfalls in die Team Alignment Map integrieren oder einfach zusätzlich noch definieren. Beurteilen Sie in jeder Situation, ob ein Punkt noch genauer definiert werden muss.

Umgebung für Gruppenprozesse

In vielfältigen Teams gibt es per Definition vielfältige Perspektiven. Das bedeutet auch, dass die Gruppenprozesse wie Entscheidungen treffen, Konflikte lösen, Probleme und Hindernisse besprechen etc. besonders wichtig sind und besondere Aufmerksamkeit benötigen. Wie dies gemacht wird, zeige ich im Blogbeitrag zum Teamwork.

Für komplexe Probleme ist häufig noch mehr Versuch und Irrtum nötig, um eine gute Lösung zu erhalten. Das heisst das Team braucht eine besondere Fehlerkultur und einen guten Umgang mit Hindernissen. Die psychologische Sicherheit ist wichtig, die Teammitglieder dürfen für Ideen, Fragen, Fehler, Bedenken oder Risiken nicht bestraft oder erniedrigt werden. Dies kann erreicht werden, indem Fehlern und neuen Erkenntnissen ein positiver Wert beigemessen wird.

Es geht nicht darum, nett zueinander zu sein, den Standard oder die Erwartungen an die Lösung zu senken, sondern um einen positiven Umgang mit Ideen und Fehlern.

Amy Edmondson

Der Wunsch der meisten Menschen nach Konformität arbeitet gegen diese Anforderung. Viele Menschen äussern nicht gerne eine neue oder andere Meinung als die Vorherrschende. Das führt dazu, dass oft die Vielfalt nicht genutzt wird. Es hilft, sich gleich zu Beginn einer Zusammenarbeit zu diesem Thema Gedanken zu machen. Es gibt Werkzeuge, um verschiedene Perspektiven und Meinungen zu sammeln und Konsens zu bilden. Auch eine Moderation kann hier wiederum helfen.

Daneben habe ich auch oft erlebt, wie zu Beginn einer Zusammenarbeit Vorurteile gegenüber anderen Funktionen, Disziplinen oder Kulturen bestanden. Alle Teammitglieder sollten eine positive Einstellung gegenüber der Vielfalt haben. Dies kann mit Trainings erreicht werden, in denen man die andere Kultur erlebt. Ich persönlich habe auch sehr gute Erfahrungen mit Persönlichkeitstests wie Clifton Strength oder 16personalities.com gemacht. Sie helfen ebenfalls, das Verständnis für die Vielfalt zu stärken.

Wie sieht es in Ihrem Team aus?

Wie ist in Ihrem Team das gemeinsame Verständnis für die Aufgabe, empfinden die Teammitglieder die Prozesse als unterstützend und wie ist die Einstellung der Personen gegenüber Vielfalt im Team? Diese und viele weitere essentielle Fragen für eine effiziente und erfolgreiche Zusammenarbeit in vielfältigen Teams können Sie kostenlos und online mit dem evores compass analysieren. Verschiedene Teammitglieder füllen dabei anonym einen Fragebogen aus und Sie erhalten eine Menge sehr wertvoller Einsichten zum aktuellen Stand der Zusammenarbeit und möglichen Optimierungemöglichkeiten. Melden Sie Ihr Team jetzt gleich für den kostenlosen evores compass an und erleben Sie, wie einfach es ist, Zusammenarbeit und Teamkultur greifbar zu machen.

Wenn Sie viel in interdisziplinären und internationalen Teams unterwegs sind, dann wird Sie dieser Artikel interessieren. Denn internationale Teams haben nochmals einige Besonderheiten aufzuweisen.

Weitere Informationen

• alle Informationen zum evores compass
• Blogbeitrag Teamarbeit
• Studie von Behnam Tabrizi: https://hbr.org/2015/06/75-of-cross-functional-teams-are-dysfunctional
• Hilfreiches und spannendes Buch zur Teamarbeit: Mastrogiacomo, S., & Osterwalder, A. (2021). High-Impact Tools for Teams. Hoboken: John Wiley & Sons.
• Toller Atikel in der Harvard Business Review zu Teamarbeit: HBR – The Secret of Great Teamwork

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